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Artikel 2023

02/2024

„Unsere Erfahrung: Es kann jeden treffen!“

Verbraucherschützerin Dr. Annabel Oelmann über aktuelle Entwicklungen im Bereich Social Engineering. Während der Konferenz kartensicherheit.de im September des vergangenen Jahres berichtete die Bremer Verbraucherschützerin von Beratungsgesprächen, in denen es um Betrug am Telefon geht. Was ist seither passiert? Wir haben nachgefragt.

Frau Dr. Oelmann, was hat sich in den letzten Monaten ergeben?
Wir stellen eine Zunahme der Angriffe und Betrügereien im Bereich Social Engineering fest.


Was genau verstehen Sie unter Social Engineering?
Bei Social Engineering geht es um die psychologische Beeinflussung und Manipulation von Menschen. Vereinfacht könnte man sagen, es geht darum, Menschen dazu zu verleiten, etwas zu tun, das sie eigentlich gar nicht wollen.


Wie gehen die Täter vor?
Angefangen hat das aus meiner Sicht mit dem Enkeltrick, bei dem bei älteren Menschen der Eindruck erweckt wurde, die Enkelin oder der Enkel sei in Not und bräuchte sehr dringend und schnell Bargeld. Mittlerweile haben die Kriminellen ihr Repertoire sehr stark erweitert.


Was heißt das konkret?
Es gibt unglaublich viele Tricks und Szenarien, mit denen gearbeitet wird. Deswegen macht es eigentlich auch keinen Sinn, vor speziellen Vorgehensweisen zu warnen. Die goldene Regel lautet: Jederzeit vorsichtig sein!


Wie kann man den Betrugsversuch denn erkennen?
Sehr oft gibt sich das Gegenüber zum Beispiel am Telefon als eine Person aus, die sie nicht ist. Also als Mitarbeitende einer Polizeibehörde oder Vertreter:in eines Kreditinstituts. Und dann haben alle Betrügereien eigentlich eins gemeinsam. Es wird Druck aufgebaut. Das potenzielle Opfer wird unter Stress gesetzt. Es geht darum, dass schnell gehandelt werden muss, weil nur noch wenig Zeit ist, weil irgendeine ganz akute Notsituation besteht, aus welchen Gründen auch immer. Oder es sind von einem unschlagbar attraktiven Angebot nur noch wenige Exemplare übrig. Und jetzt gilt es, angeblich ganz schnell zu reagieren. Auch wird weiterhin gerne eine Notsituation einer nahestehenden Person vorgespielt, der nun ganz schnell geholfen werden muss, um noch Schlimmeres zu vermeiden.


Und wie kann ich mich schützen?
Zuallererst: verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass Sie schlau genug sind und dass es nur sehr naive Menschen trifft. Bei mir sitzen vom Angestellten bis zur Professorin Opfer aus allen Bildungsniveaus.

Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, gewinnen Sie Zeit. Überprüfen Sie, ob die Identität Ihres Gegenübers tatsächlich stimmt, beispielsweise durch einen Rückruf über eine Ihnen bekannte Nummer. Lassen Sie sich vom angeblichen Angehörigen eine Frage beantworten, deren Antwort ein Fremder nicht wissen kann, also beispielsweise, wie hieß der Hund deiner Eltern oder welche Farbe hatte dein erstes Auto? Und, ein Faktor, der oft vernachlässigt wird, vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl! Fast alle Menschen, die hier bei mir sitzen, hatten, als der Betrug stattfand, ein komisches Gefühl!


Und was macht man, wenn man Opfer einer Betrugsmasche geworden ist?
Wie gesagt, es kann jeden treffen! Daher bitte keine falsche Scham, wenn einmal etwas schiefläuft. Denn im Schadensfall gilt es, schnell zu reagieren! Betreiben Sie Schadensbegrenzung, also gegebenenfalls sofort mit der Bank Kontakt aufnehmen, Karten sperren, Konto und Kontozugang sperren. Ganz wichtig, die Polizei benachrichtigen, Anzeige erstatten.

Und mein persönlicher Rat: Stehen Sie diese unangenehme Situation nicht allein durch, suchen Sie sich emotionale Unterstützung, suchen Sie sich eine Person, mit der Sie über das Erlebte reden können!


Frau Dr. Oelmann, vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!