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06/2018

Geld überweisen in Sekundenschnelle

Chancen und Risiken der Echtzeit-Überweisung (Instant Payment) – für Verbraucher, Institute und Unternehmen


Ende 2017 wurde die Möglichkeit pilotiert, europaweit Geld in Echtzeit zu überweisen. Dr. Ralf Schopohl ist Leiter "Payment – Standards und Services" bei der SIZ GmbH, einem Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe. Seine Themenschwerpunkte sind das Electronic und Online Banking, der Zahlungsverkehr, die Karte sowie Electronic & Mobile Payments. Aktuell arbeitet er insbesondere an der Umsetzung der Echtzeit-Überweisung.

kartensicherheit.de: Herr Dr. Schopohl, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Echtzeit-Überweisung bzw. Instant Payment?

Es handelt sich hierbei um eine Überweisung, welche den Regeln des SEPA Instant Credit Transfer Scheme des European Payments Council (EPC) genügt und gegenüber der Standard SEPA-Überweisung folgende Mehrwerte für den Nutzer liefert:

  • Der Gegenwert wird dem Zahlungsempfänger innerhalb weniger Sekunden zur Verfügung gestellt, und zwar rund um die Uhr (24x7)
  • Unmittelbare Nachvollziehbarkeit des Überweisungserfolgs für den Zahler (bspw. über das Online Banking)

Bei Bezahlen per Paypal, Überweisen per SWIFT oder Geldsenden per N26-Moneybeam ist das Geld doch auch sofort verfügbar, was ist der Unterschied?
Diese Aussage ist so nicht richtig. Bei der Nutzung von Paypal beispielsweise ist der Betrag lediglich auf dem Paypal-Konto des Zahlungsempfängers und kann nicht (außer für Paypal-Zahlungen) eingesetzt werden. Um das Geld wirklich nutzen zu können, ist ein Übertrag auf das Girokonto des Nutzers erforderlich, hierfür wird aktuell eine normale SEPA-Überweisung mit entsprechender Laufzeit verwendet.
Eilzahlungen per TARGET2 über SWIFT sind auch nur an Geschäftstagen gleichtägig beim Zahlungsempfänger, sofern sie rechtzeitig beauftragt wurden.
Bei der Echtzeit-Überweisung hingegen ist die Gutschrift innerhalb weniger Sekunden an allen Kalendertagen rund um die Uhr sichergestellt (24x7) und über den Betrag kann sofort verfügt werden (bspw. am GA).

Wie ist eine so schnelle „Überweisung" technisch möglich?
Hierfür sind bei den teilnehmen Zahlungsdienstleistern bzw. ihren IT-Serviceprovidern sowie den Clearing- und Settlementmechanismen umfangreiche Anforderungen in den Zahlungsverkehr- und Kernbank-Systemen erforderlich. Bisherige Batch-Prozesse, welche den Massen-Zahlungsverkehr dominieren, müssen auf Einzeltransaktionsverarbeitung in Echtzeit umgestellt werden. Darüber hinaus muss eine Verfügbarkeit rund um die Uhr sichergestellt werden, analog der Autorisierungssysteme im kartengestützten Zahlungsverkehr. Die Zeiten, wo der Austausch von Zahlungen nur während der üblichen Arbeitszeiten stattgefunden hat, sind mit der Echtzeit-Überweisung vorbei.

Und wie kann ich so eine Überweisung tätigen, gibt es da eine App?
Dies ist abhängig vom Produktangebot der jeweiligen Bank oder Sparkasse. Die Sparkassen bieten ab dem 10.07.2018 in der Regel eine Auslösung per Browserbanking (Internetfiliale), Sparkassen-App und per FinTS (bspw. über S-Firm) an.

Funktioniert das auch mit Empfängern im Ausland?
Ja, dies funktioniert mit allen Empfängerbanken, welche dem EPC-Scheme beigetreten sind. Dies sind heute bspw. nahezu alle Banken in Österreich und Spanien sowie einige Instituten in den Niederlanden und Italien.

Wie und in welchem Zeitraum ist die Einführung der Echtzeitüberweisung in Deutschland und Europa geplant?
Nach der Unicredit, welche bereits in 2017 gestartet ist, sind die Sparkassen mit ihrem Beitritt zum 10.07.2018 die nächsten Institute, welche sowohl erreichbar sind, als auch aktiv Zahlungen auslösen können. Für Ende 2018 ist der Beitritt weiterer Institute geplant, sodass voraussichtlich mehr als 9 von 10 der heutigen SEPA-Überweisungen in Echtzeit ausgeführt werden könnten.
Für Europa ist dies länderspezifisch, in den o.a. Ländern und Deutschland ist voraussichtlich ab Ende 2019 eine sehr hohe Erreichbarkeit vorhanden.
Und in 3-4 Jahren wird sich die Frage, ob ein Institut teilnimmt oder nicht, nicht mehr stellen, d.h. 100% sind dabei.

Gibt es Begrenzungen in der Höhe des Überweisungsbetrages?
Ja, es gibt eine Begrenzung von 15.000 €. Diese stellt jedoch für Zahlungen von Privat- und Geschäftskunden i.d.R. keine Hürde dar, dennoch gibt es auf europäischer Ebene Überlegungen, die Betragsgrenze anzuheben.

Was sind die typischen Situationen, in denen Echtzeit-Überweisungen Sinn machen?
Hier gibt es unzählige Beispiele, wie die Zahlung eiliger Rechnungen (Stichwort Skonto), Ersatz von Bargeschäften (Stichwort Autokauf, P2P-Zahlungen), kurzfristige Unterstützung von Familienangehörigen (Stichwort Sohn/Tochter steht am GA und benötigt Guthaben auf dem Konto), Einkäufe im e-/m-commerce und am POS. Während in den obigen Beispielen die Schnelligkeit (max. 10-20 Sekunden) von Bedeutung ist, ist für Firmenkunden oftmals die Bestätigung, dass eine Zahlung erfolgreich war oder nicht, noch wichtiger.

Wie sicher sind Echtzeit-Überweisungen und wie wird die Sicherheit garantiert?
Echtzeit-Überweisungen sind genauso sicher wie normale Überweisungen. Die bei normalen Überweisungen in der Regel der TAN-Eingabe nachgelagerten Phishing- und Fraud-Prüfungen werden bei der Echtzeit-Überweisung vorgezogen, d.h. sie erfolgen nun real-time. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Sicherheit. Auch heute ist es bei SEPA-Überweisungen oftmals nicht mehr möglich, eine Zahlung noch aufzuhalten, wenn im Nachgang ein Missbrauch festgestellt wurde.

Kann der Betrag im Falle einer unwissentlich oder versehentlich falsch durchgeführten Überweisung zurückgeholt werden? Kann die Transaktion rückgängig gemacht werden? Oder ist der überwiesene Betrag dann verloren?
Wie auch bei der Standard SEPA-Überweisung besteht bei der Echtzeit-Überweisung die Möglichkeit des Überweisungsrückrufes, der so genannte "Request for Recall by the Originator". Hierbei handelt es sich jedoch um eine Anfrage, d.h. der Zahler ist auf die Zustimmung des Zahlungsempfängers angewiesen. Hintergrund ist, dass eine Überweisung, egal welcher Art, immer final ist, d.h. eine einmal gutgeschriebene Überweisung kann nur mit Zustimmung des Zahlungsempfängers zurückgebucht werden.

Die Einführung von Instant Payment hat auch Auswirkungen auf die klassische und gewohnte Verbindung zwischen Kunden und Finanzinstitut, da das Institut immer mehr die Rolle des sichtbaren Partners verliert. Ist das aus Ihrer Sicht eine Herausforderung für Banken und Sparkassen?
Das sehe ich nicht so, eher im Gegenteil. Mit Einführung der Echtzeit-Überweisung wird ein bestehendes Bankprodukt, die Überweisung, um eine Variante mit erheblichen Mehrwerten ergänzt. Dies bietet die Chance, Zahlungen, welche bisher nicht über das Girokonto gelaufen sind, zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist das P2P-Verfahren Kwitt, welches innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe auf Basis der Sparkassen-App Zahlungen in Echtzeit ermöglicht und damit eine bequeme Alternative zum Bargeld ist.

Glauben Sie, dass diese Form des Bezahlens irgendwann das Bargeld ersetzen wird?
Nein, die Echtzeit-Überweisung bietet jedoch die Chance, es etwas zu reduzieren.

Wie wird sich die Echtzeit-Überweisung auf das Bezahlen mit Kreditkarte auswirken?
Das ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Am POS mit Kreditkartenakzeptanz dürfte die Echtzeit-Überweisung, wenn überhaupt, nur eine geringe Rolle spielen. Im e- und m-commerce (insbesondere In-App Payment) kann dies jedoch anders aussehen. Beispielsweise werden in Dänemark über 70% aller Bahntickets über die dänische MobilePay-App in Echtzeit bezahlt.

Wie wird sichergestellt, dass Sanktionen und Embargos nicht per Echtzeit-Überweisungen umgangen werden (Also den in einschlägigen Listen genannten Personen, Gesellschaften oder Organisationen Geld überwiesen wird)?
Dies wird dadurch sichergestellt, dass alle beteiligten Zahlungsdienstleister die Prüfungen maschinell in Echtzeit durchführen, im Falle eines Treffers wird die Echtzeit-Überweisung abgewiesen.

Für Institute bedeutet das Bereitstellen von Echtzeitüberweisungen eine enorme technische und finanzielle Herausforderung. Wie können sie damit umgehen?
Das stimmt, die Umstellung des Zahlungsverkehrs von der bisherigen i.d.R. zeitunkritischen Sammler-Verarbeitung auf Echtzeit-Prozesse ist eine Herausforderung. Andererseits kann in der heutigen Zeit, wo Kunden zu Recht eine Transaktionsabwicklung (egal ob im e-commerce, bei Reisebuchungen oder beim Informationsaustausch) rund um die Uhr in wenigen Sekunden erwarten, dieses grundlegende Kundenbedürfnis nicht ignoriert werden. Ausführungszeiten von bspw. Freitagabend bis Dienstag sind für viele 24x7 verfügbare Geschäftsprozesse beim Kunden nicht mehr akzeptabel.

Wenn man einmal den Gedanken „POS" verlässt, ergeben sich noch ganz andere Bereiche, die sich durch die Liquiditätsvorteile der Echtzeitüberweisung stark verändern würden. Denken wir an Gehaltsüberweisungen an Mitarbeiter in letzter Minute oder den Abschluss einer Unfallversicherung noch im Skilift. Was könnte sich Ihrer Meinung nach noch alles verändern?
Das sind gute Beispiele. Beim Thema Gehaltszahlung muss es nicht unbedingt um „die letzte Minute" gehen. Mit der Echtzeit-Überweisung bekommen alle Mitarbeiter gleichzeitig das Gehalt, unabhängig vom Zahlungsdienstleister des Arbeitnehmers. Und dies sogar dann, wenn dort ein regionaler/nationaler Feiertag ist.

Perspektivisch ist die Möglichkeit für Firmenkunden, Sammler einreichen zu können, sehr interessant. So kann der Firmenkunde nahezu ohne Umstellungsaufwand bspw. Rechnungen punktgenau zahlen, um Skontovorteile zu erzielen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil hierbei ist, dass er über einen Statusreport innerhalb von bspw. einer Stunde genau sieht, welche Zahlungen dem Empfänger gutgeschrieben werden konnten und welche nicht. Dieser Report enthält auch die entsprechenden Gründe, bspw. "Konto des Zahlungsempfängers nicht existent".

 

Herr Dr. Schopohl, wir bedanken uns für das Gespräch.